Die Regeln und Satzungen der Rechtschreibung (nicht nur der "neuen", sondern auch der alten) liefern "wunderbare" Möglichkeiten bei der Benotung von Schülern. Der oder die Lehrer/in kann anhand dem Brechen bzw. Einhalten von Regeln mehr oder meist minder gerecht einen Notenschlüssel erstellen, der dann eine Note von 1 bis 5 aus der Fehlermenge quasi statistisch folgern lässt. Die Grauzone der "Stilistik" und "Fabulierqualität" unterliegt der Lehrer-innewohnenden Beliebigkeit und kann zu erheblichen Notendifferenzen führen.
Aus obiger kurzer Einleitung kann schon der nicht sehr voreilige Schluss gezogen werden, dass ich die Regeln der Rechtschreibung nur in der Schule als gültig erachte, und genau das trifft zu.
Nach verlassen von Schule und Universität, wenn mann/frau dann als Journalist/in, Schriftsteller/in, Buchhalter/in und Boxkampfschiedsrichter/in arbeitet, sind diese Regeln bereits ein Teil der schulischen Vergangenheit und werden von ganz anderen "Willküren" abgelöst.
Ich finde es sehr drollig, wenn Zeitungen und Magazine jetzt Entscheidungen betreffend der Rechtschreibung treffen - ganz so, als ob Zeitungen und Magazinen irgendwelche Qualitätsansprüche betreffend der Sprache erheben könnten. Die "Fehlerquote" ist trotz modernster Computerprogramme und des oft bemühtesten Lektors meist sehr hoch, und die Sprache schwankt zwischen "Note 4" (BILD) und "eloquent" (DER SPIEGEL). Wo sind da Regeln? Wo ist da eine einheitliche Sprachnorm.
"Fallfehler", "Zeitfehler", "Beistrichbeliebigkeiten", "Bindestrichsucht" und "sinnloses Aufzählen" sind an der Tagesordnung, und darum hat sich vor der "Reform" kaum wer gekümmert, und nachher auch nicht.
Der Eindruck könnte entstehen, ich bin gegen ein Regelwerk - das bin ich natürlich nicht.
Aber ich frage mich, wie zwingend es ist bzw. wie zwingend es sein soll. Viel wichtiger als kleine Unstimmigkeiten in der Schreibweise mancher Wörter erscheint mir die Fähigkeit, Wörter zu Sätzen und damit dann zu Botschaften zusammenzustellen.
Und mir fällt - als Bewohner eines der bürokratischsten Länder Europas naheliegend - auf, dass es für die gesprochene Sprache ein ebenso "zwingendes" Regelwerk gibt, aber sich keiner ernsthaft über Verstösse aufregt. Zum Glück.
Vielleicht wäre es gut, wenn es um die Reform geht, diese zu lassen wie sie ist, und sie einfach zu ignorieren.
Denn was will die "Staatsgewalt" machen, wenn sich jemand nicht an die neue Regel "Du" klein zu schreiben, hält?