Elfriede Jelinek sagt, auf dem Portrait von Thomas Bernhard auf Compact Disc, das ich besitze, dass es für eine ganze Generation von Schriftstellern sehr schwer war und teilweise noch immer ist, sich von Thomas Bernhard auch wieder abzulösen und eigene Formen zu finden, denke ich jetzt, naturgemäß in Erinnerung meines "Auch-Mentors", der mich in allem und jedem fortwährend während meiner Entwicklung immer wieder begleitet, ja diese in entscheidendem Ausmaße mitbestimmt hat. Sie hat recht, die gute Frau, denke ich, als ich jetzt versuche, die Freude darüber, dass es jemanden wie Thomas Bernhard gegeben hat, in kümmerliche Worte zu fassen, um die paar Leser dieses Weblogs daran teilhaben zu lassen, naturgemäß. Wir sind doch, beziehungsweise ich bin doch, als kreativer Mensch, als in Kopf und Körper angespannt und nicht freies Individuum, gar nicht in der Lage, die Gedanken und Sätze des großen Thomas Bernhard, den sie ja damals, als er noch lebte gehasst haben, und den sie jetzt, wo er nicht mehr lebt, nur vorgeben zu lieben, naturgemäß, gar nicht in der Lage, denke ich, diese Gedanken und Sätze, die wie eherne Monolithen eines längst untergegangenen Landes aus dem Wasser der Einöde ragen, wegzudrücken. Dennoch versuche ich es, und weiss schon vorweg, dass ein ganz kümmerliches Scheitern wie vorprogrammiert dabei als Resultat stehenbleiben muss. Dass es so stehenbleiben muss, wie so vieles stehenblieb und stehenbleiben wird. Ich denke jetzt, dass es gut war, selbst nicht Schriftsteller zu werden, wie ja auch Thomas Bernhard sich nicht als Schriftsteller deklariert und hinaufdegradiert sehen wollte. Er war ja im Grunde nicht nur ein Meer-Mensch sondern auch ein von Musik besessener und durch und durch rhythmischer Charakter, dessen Gedanken ja wie mit einer großen Basstrommel auf den aufgeblähten Staatsbauch eingetrommelt haben, und im Ende auch eine vom Staate ausgehölte Existenz und vom Literaturmarkt ausgenutzte Literaturmarionette. Aber sein Scheitern ist nicht meines, und sein Scheitern ändert auch nichts an meiner Bewunderung und meiner Liebe zu diesem kompromisslosesten aller österreichischen Staatsdichter, die sich die Subventionen untereinander aufteilen und sich selbst nach wenigen Tagen der staatsdienernden Verlogenheitshysterie nicht mehr selbst im Spiegel erblicken können. Bin ich froh, denke ich jetzt, dass ich keiner dieser aufgeblähten Kunstschwämme und Ekelkünstler bin, und mich so gut wie niemand kennt. "Ein Geistesmensch hat sich dieser Niedertracht zu entziehen" sagt eine Figur in einem Bernhard-Theaterstück sinngemäß, und ich kann mich dem nur anschliessen. Der Geistesmensch, der sich dieser Staatskloake aussetzt, begeht den folgenschwersten Fehler seines Lebens, und er hat schwer daran zu tragen. Kein Wunder, denke ich jetzt, dass Bernhard später (und eigentlich fast sein ganzes Leben lang) ein schwer kranker - und dennoch so vitaler und lebendiger - Mensch gewesen ist. Er ist ja gerade an den Widerständen gewachsen, wie ich auch, denke ich jetzt, sage ich mir, naturgemäß, gerade an den Widerständen immer gewachsen bin und daran weiterwachsen werde, so lange ich noch lebe. So suchen sich doch alle Künstler diese Widerstände aus, naturgemäß, und finden dabei nur - einander. Es ist gut, meine ich jetzt, denken zu können, dass ich Bernhard gefunden habe, damals, als ich neunzehn Jahre alt war, er war ein Mentor für mich, wahrscheinlich der zweite neben Johann Sebastian Bach, dem "fetten, schwitzenden Bach" wie er ihn in einem Buch nennt. Ohne diesen beiden B's, dem Bernhard und dem Bach wäre ich heute nicht dort, wo ich heute bin, ganz sicher nicht, denke ich jetzt, und es wäre dort, wo ich zweifellos dann sein würde, alles "geruch- und lautloser", zitiere ich schon wieder Bernhard. Meine Lebensgeschichte wäre weniger aufregend und weniger von Geisteskonzentration beherrscht, denke ich jetzt, naturgemäß.
Ich danke Thomas Bernhard, vielmals, für seine Hingabe.